© www.alufenster.at | Manfred Seidl - Semperit F&E-Zentrum   © www.alufenster.at | Manfred Seidl - Gewinner des Aluminium-Architektur-Preises 2002   © www.alufenster.at | Manfred Seidl - Perfekte Ausführung in allen Details   © www.alufenster.at | Manfred Seidl - Das Maul des Silberhais - geschützt durch Aluminiumlamellen   

Forschen im Silberhai

Autorin: Franziska Leeb, freie Architekturjournalistin u.a. für die Tageszeitung "Der Standard"

Es war in den Zwanzigerjahren des 19. Jahrhunderts, als der Wiener Schneidermeister Johann Nepomuk Reithoffer bei seinen Versuchen "wollene Tücher wasserdicht zuzubereiten" auf Kautschuk stieß, den er in dünne Streifen geschnitten auf gewebte Stoffe aufbügelte. Die Basis für die erste Gummiwaren-Manufaktur der Welt war somit gelegt. Am traditionsreichen Standort Wimpassing im Schwarzatal ist man bis heute in Sachen Erforschung, Entwicklung und Produktion innovativer Kautschuk- und Kunststoffprodukte hoch aktiv. Die Semperit Holding AG (1986 positionierte sich der Betrieb neu und verkaufte den Traiskirchner Geschäftsbereich Reifen) ist einer der weltweit führenden Hersteller hochwertiger technischer Produkte wie Schutzhandschuhe, Hydraulik- und Industrieschläuche, Transportbänder oder Dichtungsprofile.

Für das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum schrieb die Semperit Technische Produkte Ges.m.b.H. & Co KG einen Architekturwettbewerb aus, bei dem neben einer Auswahl bereits etablierter und renommierter österreichischer Büros auch jüngeren Büros eine Chance gegeben wurde. Prompt erwies sich der Beitrag von Najjar & Najjar, die bislang nur im experimentellen Bereich die Aufmerksamkeit der Fachwelt erregten, als jener, der am besten geeignet schien, die Firma architektonisch in die Zukunft zu leiten und ein dynamisches Unternehmensbild zu vermitteln.

Der Bauplatz liegt auf dem bestehenden Firmengelände nächst dem alten "Herrenhaus". Um Platz für den Neubau zu schaffen wurden entlang der vorbeiführenden Bundesstraße B 17 zwei ältere Gebäude abgebrochen. Karim und Rames Najjar wählten für ihren Entwurf eine signifikante Form. Eine doppelt gekrümmte Aluminiumröhre schiebt sich im 45°-Winkel Richtung Produktionsgelände. An das Herrenhaus wurde nicht angedockt. Es bleibt als Zeuge jahrhundertelanger Tradition als eigenständiger Baukörper erhalten. Die neue Röhre bildet dazu einen signalhaften Kontrast. Erschlossen wird sie vom Werksgelände aus. In bewegter Gestik bläht sich die Form in Richtung Öffentlichkeit auf und zeigt hier ihre attraktivste Schauseite. Der als Zweispänner organisierte Solitär umschließt ein zentrales Atrium, dessen transparentes Dach sich in das Wellental der gekrümmten Hülle einschmiegt. Um diesen repräsentativen Verteilerraum sind Laborräume, Büros und Besprechungsräume angeordnet.

Die Lichtverhältnisse in den Räumen sind durch die jeweils zweiseitige Belichtung bestens, die Wege zwischen den einzelnen Labors sind kurz. Inmitten des Geschehens spürt und sieht man sofort, dass hier geforscht wird. Konstruktiv betrachtet besteht der Bau aus einem Stahlbetontisch im Erdgeschoß, auf dem die Stahlkonstruktion aus einzelnen, jeweils unterschiedlich gekrümmten, geschnittenen Hohlkastenprofilen aufliegt. Dieses Primärsystem wurde mit Trapezblechen ausgefacht, wärmegedämmt und mit einer wasserführenden Auflage aus gebogenem Trapezblech versehen. Um der außergewöhnlichen Form den letzten Schliff zu verleihen, wurde sie schließlich in eine äußere glatte Haut aus 7 cm hohen und 6,40 m langen Alustrangfalz-Profilen gehüllt. Um diese Glättung von innen nach außen zu erreichen, gingen Najjar & Najjar mit einer Zeichenmethode vor, wie sie für die Konstruktion von Schiffsrümpfen angewendet wird. Übliche Baukonstruktionssoftware hätte diese Exaktheit nie erreicht und für den Einsatz hoch spezialisierter Programme war die Aufgabe zu klein, um wirtschaftlich sinnvoll zu sein. So wurden Schnittlinien Schritt für Schritt zeichnerisch angeglichen, um die optimalen Zuschnitte für den gewünschten Silberhai-Effekt zu erlangen.

Kein anderes Material als Aluminium hätte diese Aufgabe übernehmen können. Leicht und glatt legt es sich über die Unterkonstruktion. Dass es Alu sein muss, war klar, sobald der Entwurf feststand. Eine gewisse Affinität dazu war aus früheren Arbeiten bereits vorhanden. Mit ihrem ersten größeren Auftrag in Wimpassing gelang dem Architektenteam eine eindrucksvolle Arbeit. Schließlich mag ein derartiges Gebilde rasch gezeichnet sein. Dass die gebaute Realität in ihrer Signifikanz und Perfektion mit den ersten Renderings Schritt halten konnte, soll deshalb ganz besonders betont werden.

TOP
  • Merken
  • Drucken
  • Sitemap
  • Anfrage

 

Zum Film AAP18

 

 
Zur AFI-Startseite